Vorsicht! Der nachfolgende Text kann Spuren von Sarkasmus enthalten.
Bitte nicht allzu ernst nehmen, wir GrafikerInnen sind auch nur Menschen.
Hello and welcome…
… bei dem Job, bei dem plötzlich jeder ein Wörtchen mitzureden hat und zum/zur MarketingexpertIn mutiert.
… bei dem Job, bei dem man zwischen dem eigenem ästhetischen Interesse und der hochachtungsvoll geschätzten Meinung der KundInnen entscheiden muss.
… bei dem Job, bei dem das Logo immer noch ein Stückchen größer gemacht werden sollte.
Das Verhältnis zwischen KundIn und GrafikerIn ist nicht immer ganz einfach. So manch wiederkehrendes Feedback verfolgt den/die DesignerIn wie ein Fluch. Von »Fürs Zeichnen muss ich dich bezahlen?« über Comic Sans und Times New Roman bis hin zu Fotos, deren Auflösung verrät, dass sie vermutlich mit einem Toaster geschossen wurden. Die KundInnen erfüllen in der Regel sämtliche Klischees.
Jede Mail hat doch schon mal begonnen mit: »Mir gefällt das Design schon wirklich gut, aber…«
»Meine Frau hat schon einmal etwas vorbereitet…«
Festhalten! Hier kommt bereits etwas Großes auf den/die GrafikerIn zu. Der Grund wieso so viele DesignerInnen eine Brille tragen? Bei starker Verzweiflung kann diese einfach abgenommen werden und – et voilà – die Realität verschwimmt, genauso wie die verlaufenden Regenbogenfarben der Comic Sans Geburtstagseinladung mit vorgefertigter Microsoft Word 3D-Schattierung. Rund um die 20×20 Pixel großen Geburtstagstorten-Illustration von »pngtree« leuchtet ein knallbunter, verzierter Rahmen und verleiht somit dem Wasserzeichen auf dem Bild noch das gewisse Etwas. Ist es nicht erstaunlich, wie solch individuelle Meisterwerke entstehen? Gutes Design ist doch immer auch ein bisschen dem Zufall überlassen.
»Mir gefällt das Design schon wirklich gut, aber…«
Nachdem sich der/die KundIn schweren Herzens von Schatzis Entwurf trennen konnte, ist nun noch mehr Überzeugungskraft gefragt. Die wirklich kritische Phase beginnt bereits mit dem Absenden der ersten Entwürfe. Es kostet so manche/n DesignerIn einiges an Mut, die Antwortmail zu öffnen, ohne von folgenden Worten direkt erschlagen zu werden: »Können wir die drei Entwürfe nicht irgendwie mischen?« Als wäre dieser Satz nicht schon schlimm genug, darf der/die GrafikerIn nun auch auf Änderungswünsche und Designvorschläge eingehen. Man mag es kaum glauben, aber Pastelltöne wirken oftmals blass, die Frage: »Wie wärs mit etwas mehr Rot?« Liegt also nicht so fern. Wünsche, wie die Lauftextschrift der A5 Einladung doch bitte auf 20pt zu skalieren, kann der Designer manchmal noch gekonnt und mit maximaler Höflichkeit abweisen – das Logo muss jedoch noch etwas größer gemacht werden und daran führt auch kein Weg vorbei.
»Das sieht doch gleich viel besser aus, oder?«
An diesem Punkt der Zusammenarbeit werden die Nerven der DesignerInnen noch ein letztes Mal auf die Probe gestellt. Die Würfel sind bereits gefallen, die Änderungen wurden vollbracht. Dem/der KundIn jedoch die ehrliche Meinung zum Design zu sagen? Schwierig. Noch schwieriger wird es, wenn sich der/die GrafikerIn wegen teilweise fehlender Wertschätzung der geleisteten Arbeit vor den KundInnen beweisen muss. Nein, ich muss euch leider enttäuschen, Photoshop hat nicht mit dem bekannten »Make Design« Button die ganze Arbeit von allein und ohne fremdes Zutun erledigt. Das Projekt ist endlich abgeschlossen und… Ahja, da war doch noch was. Es ist aber auch nur eine ganz, ganz kleine Änderung… Und diesmal auch wirklich die letzte…
Ein kleiner Tipp für die GrafikerInnen unter euch… Präsentiert niemals einen Entwurf, von dem ihr nicht selbst überzeugt seid oder an welchem ihr nicht mehr weiterarbeiten möchtet. Die meisten KundInnen besitzen einen sechsten Sinn, mit dem ihre Wahl immer (ich wiederhole, immer) auf genau dieses Design fallen wird. Denn wie bereits Albus Dumbledore einmal sagte: „Das ist das Problem: Die Menschen haben den Hang, genau das zu wählen, was am schlechtesten für sie ist.“
Text von Iris Wiesner und Melanie Reisenberger