Das große Ganze
Als ehrgeiziger, kreativer und motivierter Mensch (oder Meisterschüler*in) ist es irgendwie doch immer das selbe: Man will sich vom Vorhergehenden abheben, erwartet auch, dass man das ganz einfach schafft, nur um zu realisieren, dass das Ganze dann doch irgendwie nicht so einfach funktioniert wie ursprünglich angedacht. Und blickt man so nach dem erfolgreichen Abschluss eines Projektes zurück, liegt zwischen Endergebnis und Anfangsidee eine ganz schöne Strecke, mit der man so zu Beginn gar ja gar nicht – wirklich gar nicht – rechnen hätte können.
1000 und eine Idee
Genau so, oder zumindest so ähnlich, erging es dem Haufen der 30 Studierenden dieses Jahr auch, als es an Anfang Oktober an der Zeit war, Ideen zu sammeln, wie denn der Beitrag der Klasse zum Next Comic-Festival aussehen könnte. Und während wir teils virtuell, teils im Klassenverband den Präsentationen unserer Lehrer lauschten, wirbelten neben unzähligen feinen Staubkörnchen auch immer mehr kleine, einzigartige Ideen der Meisterschüler*innen in der spätherbstlichen Sonnenstrahlen, die in die Blumau blinzelten. Während die einen unserer Lehrer es sich zur Aufgabe machten, uns nahezulegen, wie Comics eigentlich entstanden sind und welche Formen und Möglichkeiten es gibt, setzten sich andere zum Ziel, nicht nur die inhaltliche Storyline der einzelnen Bildstreifen zu schärfen, sondern auch all diese unter einen Hut zu bringen. Die große Klammer des vorhergehenden Jahrgangs war die Entscheidung, gesammelt zur Collage zu greifen und so seine Comics umzusetzen. Aber weil der moderne Meisterschüler es ja ohnehin ablehnt, sich zu wiederholen, schied die einheitliche Wahl der Technik oder des Materials schon früh aus dem Rennen. Doch schon während der Klasse kollektiv klar war, sich nun auf eine gemeinsame, inhaltliche Klammer einigen zu müssen, drifteten die einzelnen Ideen der Kameraden immer weiter auseinander. Und während das eine Lager am Wald – als Jahresthema der MKD – festhielt, stürzte sich das andere Team Hals über Kopf in den Themenblock der Zukunft. Familie fand sich in beiden Lagern auch nur teilweise wieder und erleichterte die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner so auch keineswegs. Auch die Idee, einen gemeinsamen, langen Comic umzusetzen, scheiterte an individuellen Stilwünschen und inhaltlichen Absichten der einzelnen Geschichten, und der Vorschlag, dass man aus Wald, Familie und Zukunft doch irgendwie „moderne Märchen“ zaubern können, wurden nach kritischen Blicken der Mitschüler eben so schnell verworfen, wie sie aufgebracht wurden.
Das Wimmelbild
Als die Klasse jedoch weiter verschiedenste Möglichkeiten skizzierte und durch andere Comicbücher streifte, wurde eine Idee immer beliebter: Man nehme ein Wimmelbild, fülle es mit prägnanten Elementen der einzelnen Comics und baut daraus ein gemeinsames, großes Ganzes. Und irgendwie kam dann auch die Idee, einfach so zu schreiben, was man denn darauf sehen könnte. Aus »Siggi sieht ein Sieb« und »Maxi sieht ein Taxi« wurde schließlich »Felix sieht Familie« als Titel der Ausstellung gekürt – denn blickt man auf den wimmelnden Haufen, kann man doch eine große, bunte Familie erkennen. Wenn die einzelnen Geschichten nicht in den Hintergrund treten müssen, um einer größeren Idee zu weichen, sondern sich die Projekte der Meisterschüler*innen zusammen eine funktionierende Einheit bilden – und auch noch von einer witzigen, interaktiven und einzigartigen Kampagne umrahmt werden – dann ist der ehrgeizige, kreative und motivierte Meisterschüler ziemlich glücklich damit. Und das, obwohl der Weg ein bisschen länger war als ursprünglich angenommen.
Text von Madlen Dorfner


Bilder von Clara Pauzenberger